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Denkanstoß 13
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Jahrzehntelang waren wir nur Zaungäste, wenn irgendwo auf der Welt ein Flugzeug abstürzte. Aus Berliner Ministerien wurden dann Beileidsbekundungen versandt, die Medien analysierten Unglücksursachen und zeigten auf fernen Flughäfen weinende Angehörige, deren Eltern, Kinder und Freunde nie mehr nach Hause kommen würden.

Jetzt sind es Menschen aus unserer Mitte, die bei dem Absturz in den französischen Alpen ums Leben gekommen sind. Schüler, Babys, Eltern, Ehepartner sind tot. Gestorben am 24. März um 10.53 Uhr. Fliegen gilt als eine der sichersten Reisearten, die es gibt. Trotzdem passieren immer wieder Unfälle. Wir verdrängen, dass es uns treffen kann. Bis es uns trifft. Es hätte jeden von uns treffen können.
Im Moment bleibt nur die Trauer. Die Angehörigen der Opfer wurden sofort von Seelsorgern und anderen Helfern in Obhut genommen. Gut so. Die Mitschülerinnen und Mitschüler der Kinder aus Haltern werden von ihren Lehrern, Eltern und Freunden in dieser Ausnahmesituation begleitet. Es sind Menschen für sie
da, die zuhören und Anteil nehmen.

Das Wichtigste ist, die Trauernden nicht alleine zu lassen. Trauer kann nur der empfinden, der den Verlust erlitten hat. Trauer kann man nur alleine erleben, weil Trauer aus der gleichen Quelle kommt, die wir sonst Liebe nennen. Trauer kann man nicht teilen. Aber man kann den Arm um jemanden legen, der still um
einen Gestorbenen weint und ihm zeigen: Du bist nicht alleine. Wir halten dich. Der Tod verändert alles. Für die Angehörigen der 150 Opfer des Absturzes wird nichts mehr so sein, wie es vorher war.

Unser verstorbener Vater Fritz Roth hat einmal gesagt: „Der Tod ist eine Art Amputation. Da wird mir etwas Lebenswichtiges abgeschnitten. Dann brauche ich Krücken. Krücken auf die ich mich stützen kann. Krücken die eine Hilfe sind und Halt geben können. Krücken, die helfen, Trauer in Bewegung zu verwandeln, um in der Krise irgendwann eine Perspektive zu entdecken. Deshalb ist es wichtig, dass
Trauer nicht anonym und in aller Stille mit starrer „Kopf hoch, das Leben geht weiter“ Haltung durchlebt werden muss - sondern dass wir unsere individuellen Gefühle in einer Gemeinschaft ausdrücken können, die Halt und eine Heimat gibt."

Wir sollten uns den Hinterbliebenen zuwenden. Wir sollten ihnen zeigen, dass wir bereit sind, zu versuchen, einfach nur da zu sein und zu stützen. Ohne gutgemeinte Ratschläge zu geben. Trauernde haben keine Wahl, sie müssen aushalten, was geschehen ist. Dabei können wir helfen, einfach dadurch, dass wir uns nicht in ein paar Tagen abwenden und weitermachen wie bisher. Bald wird es wie immer nach
Katastrophen heißen: das Leben geht weiter. Das ist falsch. Für die Trauernden, wird nichts mehr so sein wie vorher.

Darauf sollten wir Rücksicht nehmen.

Trauer braucht Gemeinschaft. Gemeinschaft kann auch ein ganzes Land sein.

Herzlichst,

Hanna Thiele-Roth und David Roth
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Bergisch Gladbach im März 2015


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