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Denkanstoß 25
"Feiern"


Erinnern sie sich noch an die Geburtstagsfeiern Ihrer Kindheit und Jugend? Schon Tage vorher war dieses Kribbeln im Bauch zu spüren, die Vorfreude auf eines der wichtigsten Ereignisse des Jahres war immer riesengroß. Wen lädt man ein? Wo feiert man? Wie sieht das Programm aus? Dann natürlich freute man sich auf die Geschenke und auch darauf, einmal uneingeschränkt im Mittelpunkt zu stehen.

Unsere Kindergeburtstage waren Festtage! Wir tollten durch unser Wohnzimmer, spielten, lachten und aßen tonnenweise Kuchen, durften Cola trinken und waren am Ende des Tages völlig erschöpft - vor Glück.

Der erste Stehblues, der erste Kuss und das erste Kölsch. Nach unseren Partys haben wir uns dann als Jugendliche jedes Mal ein Stück erwachsener gefühlt.

In dem Begriff Trauerfeier steckt Feiern auch mit drin. Leider wird das oft ignoriert bzw. vergessen. Man bekommt vom Friedhofsamt einen kurzen Slot in der Aussegnungshalle zugeteilt, in den 20-25 Minuten werden dann vom CD Payer zwei Songs genudelt (Stairway to heaven, Time top say goodbye oder I did it my way), die dem Verstorbenen häufig gar nichts bedeutet haben, ein Trauerredner oder der Pfarrer lässt die wichtigsten Lebensstationen Revue passieren. Dann ein kurzes Gebet und dann ist die sogenannte Trauerfeier auch schon vorbei.

Schade! Warum lässt sich eine Trauerfeier eigentlich nicht genau so frei und unbeschwert planen wie eine Geburtstagsfeier? Warum trifft man sich ein letztes Mal immer auf dem Friedhof? Warum nicht in der Kirche, im Museum, im Sportlerheim oder der Lieblingskneipe des Verstorbenen. Warum spricht oft jemand auf einer Beerdigung, der den Toten gar nicht kannte? Wenn die Atmosphäre nicht so steif wäre, würden sich mehr Leute trauen, Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen zu erzählen. Warum muss es auf Beerdigungen immer so steif und förmlich zugehen?

Ja, man ist in Trauer und das Leben ist gerade düster und schwer. Aber genau in einem solchen Moment kann auch sehr viel Trost darin liegen, sich an die guten, die schönen Stunden mit dem Verstorben zu erinnern, auch über die lustigen und schrägen Seiten seines Charakters noch einmal was zu hören und noch ein letztes Mal auf ihn anzustoßen.

Bitte verstehen Sie uns nicht falsch, es geht hier nicht um Klamauk und platte Witzeleien. Es geht darum, aus dem Abschied eine wirkliche Feier zu machen, an die man sich später vielleicht gerne erinnert, weil dem Verstorbenen auf eine besondere Art und Weise Wertschätzung entgegen gebracht wurde und er in Gedanken noch einmal lebendig werden konnte.

Wir haben hier bei uns im Haus der menschlichen Begleitung viele Abschiedsfeiern ohne die üblichen, formelhaften Rituale erlebt. Diese Feiern waren warmherzig und berührend. Die Angehörigen und Freunde haben diese Feiern zwar auch traurig über den Verlust des Verstorbenen verlassen, zu spüren war aber auch, das Glück diesen Menschen gekannt, geschätzt und geliebt zu haben.

Herzlichst

Hanna Thiele Roth            David Roth

Bergisch Gladbach im März 2017


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Reichert Medien Consultants, Gotenstr. 5-7, 65929 Frankfurt am Main,
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Rückmeldungen

Zu diesem Denkanstoß "Feiern" haben wir schöne und bewegende Rückmeldungen erhalten. Hier einige der Mails, die uns erreicht haben:


Liebe Hanna Thiele-Roth, lieber David, 
vielen Dank für den neuen Denkanstoß. Ich habe mir den Text gleich ausgedruckt und werde ihn in meinem Umfeld verteilen.
Sie sprechen mir aus der Seele mit Ihren Worten. Es ist für mich unglaublich schwer auszuhalten, wenn ich auf Beerdigungen und Trauerfeiern bin, bei denen der Verstorbene selbst wohl schreiend rausgelaufen wäre, weil es einfach unerträglich ist. Kein persönliches Wort, niemand spricht miteinander, Menschen laufen irritiert auseinander. Das ist unglaublich? Ja, das finde ich auch, aber ich habe es schon oft erlebt. Da gibt es niemanden, der den Hinterbliebenen Mut macht, eine wirkliche Feier für den geliebten Menschen auf die Beine zu stellen. Es scheint oft, als wären alle froh, wenn das „Event“ so schnell wie möglich vorbei ist. Da bin ich unendlich dankbar für die liebevolle und tatkräftige Unterstützung, die meine Familie und ich in Ihrem Hause erhalten haben. Die Trauerfeiern waren alle sehr berührend und gingen uns sehr nah und wir erinnern uns gerne daran, weil wir wissen, dass sie unseren Verstorbenen gefallen hätten. Dank der Gespräche in Ihrem Hause war es mir sogar möglich, mit meinen Angehörigen bereits zu Lebzeiten Fragen über die Art und Weise der Beerdigung und der musikalischen Begleitung bis hin zu: „Wo sollen wir denn zum Reuessen hingehen?“ zu klären. Ich bin Ihnen unendlich dankbar, dass Sie mich ermutigt haben, im wahrsten Sinne des Wortes meine Mutter selbst „zu Grabe zu tragen“ und der Geborgenheit der Erde anzuvertrauen.

Ich freue mich auf Ihren nächsten Denkanstoß.

Liebe Grüße
Brigitte Grimberg

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Liebe Hanna, lieber David,
Ihr habt so recht mit den Ausführungen zur Feier. Man kann trauern und trotzdem feiern, dass es den zu betrauernden Menschen gegeben hat. Und: je heftiger wir trauern können des heftiger können und sollten wir vielleicht feiern!
Liebe Grüße
Euer Christian

Dr. Christian Kauer

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Hier ein Beitrag, der den Begriff FEIER unterstützt.
Bei der Abschiedsfeier für meinen Mann in Ihrem Haus am 11.11.15 war eine sehr gute Bekannte mit ihren beiden kleinen Töchtern anwesend. Einige Wochen später erzählte sie mir:
Die 6jährige Tochter kam aus dem Kindergarten und berichtete, die Oma ihrer Kindergartenfreundin sei gestorben und das kleine Mädchen sei sehr traurig gewesen. Aber sie habe sie trösten können: " Ich hab gesagt, dann bekommt deine Oma bestimmt auch so eine wunderschöne Feier wie der Herr Soiron."
Gisela Soiron

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Lieber David Roth,

mit großer Lust denke ich an die Geburtagsfeiern meiner Kindheit, die ich bis heute alle Jahre wieder entsprechend begehe. Es war unsere Mutter, die uns diese Form des feierns gelehrt hat. Und als sie dann mit 97 Jahren starb, war ich in der anderen Hälfte der Welt, in Indien, unterwegs. Als ich zurück kam war sie bereits begraben. Welch eine Erleichterung, dass sie endlich hatte sterben dürfen dachte ich. Sie hatte 7 Jahre als Pflegefall gelegen. Nach einem aktiven, neugierigen Leben voller Freude an ihrer Familie. Immer mehr begann ich darüber nachzudenken, was sie mir gegeben hatte, was sie mir war, was sie meinem Leben geschenkt hatte. Und ich begann eine Feier für sie zu vermissen. Diese Feier war für die Familie mit der Beerdigung beendet. Mir aber fehlte was.Aber immer klarer wurde mir, was mir meine Mutter geschenkt hatte: eine unglaubliche Freiheit zur kreativen Entfaltung. Ich wollte ein Kleid nähen als ich 16 Jahre alt war. Sie stellte mir eine Schneiderpuppe hin mit 3 m violetter Seide. So nun probier mal! Und das mit Seide. Es wurde ein wunderbares Kleid ohne Schnittmuster nur mit Schere und Nadeln. Und es war der Beginn eines Glaubens an die eigenen kreativen Ressourcen, die mich heute in meiner künstlerischen Arbeit begleitet und die mich antreibt.
So habe ich meiner verstorbene Mutter einen großen Papiermantel genäht und gedruckt. Und im Beisein meiner Schwestern wurde er von einem Model vor großem Publikum in einem Museum vorgeführt, zur Feier meiner Mutter. Für ihr Vertrauen, ihre Toleranz, ihren Glauben an uns Kinder. Ich verdanke ihr meine Liebe zu Farben und Materialien, meine Neugier auf die Welt und meine innovative Kraft.
Mit liebem Gruß
Ulrike Oeter

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Liebe Familie Roth,
gerade heute habe ich einer sehr bewegenden Trauerfeier in Ihrem Hause beigewohnt. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass es (immer wieder) gut tut, in schweren Stunden des Abschieds zu Ihnen zu kommen, weil man sich schon am Eingang gut aufgehoben fühlt.
Die Worte des Trauerredners waren offen, einfühlsam, emphatisch. Es war deutlich zu spüren, dass der Herr seine Ansprache sehr gut und mit großer Sorgfalt vorbereitet hatte. Der anschließende Gang durch die schönen Gärten hat einem etwas von der Last genommen, die an diesem Tag auf uns allen lag. Ich hörte verschiedene Stimmen die sagten, hier könnte ich mir meine letzte Ruhestätte auch gut vorstellen....
Eine positivere Rückmeldung kann es wohl kaum geben. Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Martina Bågenholm

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Liebe Familie Roth,
lieben, lieben Dank für diesen berührenden Denkanstoss. Ich bin Heilpraktikerin und Logotherapeutin ( Sinnzentrierte Psychotherapie nach Viktor Frankl , nicht Sprachstörungen::)) . Zu mir kommen einige schwertkrebskranke Menschen um „5 vor 12“ . Welche eine Erleichterung für diese Menschen, wenn sie von sich selbst und ihren Angehörigen die „Erlaubnis“ bekommen, zu sterben und ihre Bestattung zu planen. Ich mache mit ihnen Interviews , die ich in einem schönen Dokument dann einbinde und den Angehörigen zu einem Zeitpunkt , den der Sterbende wählt , überreiche ( ähnelt der Diginity Therapie nach Chochinov, ist aber von mir ich sinnzentrirten Gesichtspunkten modifiziert …)Oft ist der gewählte Zeitpunkt bei der Trauer - FEIER. Das ist ein berührender Moment für alle und hinterlässt neue Blickwinkel aufs Versterben … nämlich Dankbarkeit für ein gelebtes Leben . Deshalb unterscheibe ich Ihren Denkanstoß mit großer Dankbarkeit !!!!!!
Mit herzlichen Grüßen

Therese Lorbert
Heilpraktikerin aus Willich

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Ach, lieber Herr Roth,
Sie sprechen / schreiben mir so aus dem Herzen…
Erst am Montag haben wir „groß“ den 80. Geburtstag meines Vaters „post mortem“ gefeiert. Zum ersten Mal (weil es ein runder Geburtstag war) auch mit den alten Freunden – sie haben über 50 Jahre lang zweimal im Monat Skat miteinander gespielt. Anfänglich hatte ich ein wenig Bedenken, wie sie es wohl finden würden, dass wir diesen Geburtstag mit einem schönen Abendessen in einem Restaurant feiern würden – aber sie waren hellauf begeistert.
Wir haben uns gegenseitig Geschichten erzählt, zusammen gelacht und auch an der einen oder anderen Stelle ein Tränchen weggedrückt – aber es war einfach nur wunderschön, in den alten Erinnerungen zu schwelgen.
Feiern ist etwas Schönes!
Und einen runden Geburtstag eines Verstorbenen so zu begehen ist einfach nur empfehlenswert!

Herzliche Grüße,
Ihre
Wiebke Böhmer

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Hallo und danke für den Denkanstoß. Dazu passend eine Erfahrung, die ich als evangelischer Pfarrer kürzlich gemacht habe und die vielleicht eine mutmachende Anregung sein könnte:
Es war die Beerdigung eines iranischen Christen, der seit zwei Jahren hier in Deutschland lebt. Als am Grab alles gesagt war und die Angehörigen still Abschied nahmen, wurde eine Süßigkeit verteilt – mit Schokolade überzogene Datteln – der angenehme Geschmacksimpuls auf der Zunge war verknüpft mit dem Abschied – und neben die Trauer trat etwas Positives, Süßes. Mir hat das gut getan.
Später erzählte mir jemand, dass bei der Beisetzung eines Bäckers mal frische Mini-Brötchen verteilt wurden – eine ganz ähnliche Idee.

Liebe Grüße Björn Heymer, Wetzlar