Direkt zum Inhalt Direkt zur Hauptnavigation

Denkanstoß 47
"Covid ist nicht die Pest"

Und wir leben auch nicht mehr im Mittelalter. Die Impfungen haben begonnen, der Lockdown wird gelockert, wir werden die nächsten Wochen mit schwankenden Inzidenzen leben müssen.

Wir sollten uns jetzt nicht mehr damit aufhalten, darüber nachzudenken und zu klagen, was in den letzten Monaten alles schiefgelaufen ist und nicht möglich war. Ob die Entscheidungen der Politiker richtig und angemessen waren, dürfen gerne andere beurteilen.

Wir schauen, was ist und wie wir für die Trauernden die besten Voraussetzungen für einen guten Abschied schaffen können.

Als Bestatter versorgen wir die Toten und kommen ihnen nahe. Hier besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Wir schützen uns durch FFP2-Masken, Visiere, medizinische Schutzkleidung und Handschuhe. Und wir verhalten uns umsichtig und vorsichtig, wie alle anderen Berufsgruppen, die infizierten Menschen begegnen. Ein sorgsamer, würdevoller Umgang mit dem Leichnam gehört zu unseren Aufgaben. Wir übernehmen Verantwortung für die Angehörigen und unsere Mitarbeiter. Das ist keine besondere Herausforderung. Es ist und war für uns nicht erst seit Beginn der Pandemie eine Selbstverständlichkeit.

Wir wissen um die große Bedeutung der Trauer und tun alles Menschenmögliche, um auch in dieser schwierigen Situation für die Hinterbliebenen da zu sein und ihre Wünsche zu erfüllen.

Sobald ein Verstorbener gewaschen, desinfiziert, eingekleidet ist und im Sarg liegt, es also zu keiner Luftzirkulation mehr kommt, kann man als Angehöriger Abschied nehmen, auch eine letzte zarte Berührung an der Hand sollte möglich sein. Natürlich sollte man sich anschließend nicht an Augen, Nase und Mund fassen, und sich die Hände waschen, das haben wir ja alle gelernt.

Die Einschätzung des RKIs haben sich im Grunde die letzten Wochen nicht verändert. Prof. Lothar Wieler, der Präsident des Robert Koch Instituts, und seine Virologen sind der Ansicht, dass ein persönlicher Abschied möglich ist, wenn die Regeln eingehalten werden.

Das RKI empfiehlt: „Nachdem der Verstorbene versorgt worden ist und nicht mehr berührt werden muss, sind keine weiteren Schutzmaßnahmen notwendig. Eine berührungslose Abschiednahme am offenen Sarg ist mit entsprechendem Abstand möglich.“ 1

Wir haben mit der Pressestelle des RKIs telefoniert und dort erfahren, dass es keine Änderung dieser Empfehlung geben wird und man auch mit den Berufsverbänden der Bestatter dazu keine Gespräche führt.

Dass es keine bundesweit einheitlichen Regeln gibt und auch kein Verband sich zuständig fühlt, eine übersichtlich nach Bundesländern geordnete Aufstellung zur Verfügung zu stellen, ist bedauerlich.

Die Trauernden sind so auf die Auskünfte der Bestatter*in angewiesen und die fallen je nach Engagement des Kollegen oder der Kollegin ganz unterschiedlich aus.

In Bayern zum Beispiel sieht es düster aus. Da geht fast gar nichts im Moment.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen machen wir Abschiede am offenen Sarg und Trauerfeiern möglich. Bei uns wird niemand direkt vom Sterbeort ins Krematorium gebracht, so dass die Angehörigen keine Möglichkeit mehr zum Abschiednehmen haben. Viele Hinterbliebene bekommen derzeit erzählt, der Verstorbene müsse eingeäschert werden. Auch diese Information ist falsch. Auch ein an oder mit Covid-Verstorbener muss nicht zwangsweise kremiert werden.

Der Bestatterverband NRW hat auf zwei Studien hingewiesen, in denen Rechtsmediziner (Rechtsmediziner Prof. Dr. Klaus Püschel u.a.; Januar 2021/Hamburg und Rechtsmediziner Prof. Dr. Marcel A. Verhoff, 2021/ Frankfurt), die Infektiosität von Covid-19 Verstorbenen erforscht haben.

Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, dass von der Körperoberfläche und von Körperflüssigkeiten der Verstorbenen wohl keine Infektionsgefahren ausgehen (…) Dagegen besteht auch nach einem Zeitraum von bis zu 17 Tagen noch ein Infektionsrisiko durch Aerosole, die durch Umlagerungen / Anheben von Verstorbenen und die damit verbundene Lungenkompression / Atemluft entweichen können. Dies kann durch Verwendung einer OP-Maske oder Auflegen eines feuchten Tuches auf den Mund / Nasebereich des Verstorbenen verhindert werden.

Eine offene Aufbahrung und Abschiednahme ist also möglich.

Wenn wir uns vorstellen, unsere Mutter wäre im Krankenhaus gestorben, wir hätten sie nicht besuchen dürfen, und dann dürften wir sie nicht mal tot nochmal sehen und berühren – das würde wir uns nicht bieten lassen.

Wir sollten dringend aufhören, über Bodybags, die Beschriftung von Särgen und vorgezogene Impfungen für Bestatter zu reden und so den Eindruck zu verstärken, bei den Verstorbenen handele sich um Sondermüll.

Auch eine Verlegung von Trauerfeiern auf die Zeit nach der Pandemie ist für uns keine Alternative. Wie soll das aussehen? Sollen wir Hinterbliebenen erklären, dass sie ihre Trauer ein paar Wochen oder Monate aufzuschieben hätten? Für uns, die wir Menschlichkeit und Mitgefühl als wichtigen Teil unserer Arbeit sehen, ist das undenkbar.

Auf Nachfrage beim Bundesverband deutscher Bestatter e.V. 2 wurde uns zugesagt, dass demnächst eine Liste auf der Website zu finden sein wird, mit den geltenden Bestimmungen der einzelnen Bundesländer. Darauf sollten Sie aber nicht warten.

Sagen Sie Ihrem Bestatter, wie Sie sich den Abschied wünschen und wenn es Probleme gibt, dann gehen Sie zu einem anderen Kollegen.

Dieser Moment ist zu wichtig, um sich mit Dienst nach Vorschrift abspeisen zu lassen.

Herzlichst


Hanna Roth            David Roth

Bergisch Gladbach im März 2021


1 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Verstorbene.html
2 https://www.bestatter.de



Gerne können sie uns zum Thema Denkanstoß auch eine E-Mail schicken
an k806d740aa059434186feb84a6ab8ab8d.reichert@c7edc463829b4ec5a7cc24354015eb12puetz-roth.de, Stichwort „Denkanstoß”