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Denkanstoß 48
"Hurra, wir leben noch"

Die italienische Chansonsängerin Milva, die mit diesem Song im Jahr 1983 einen großen Hit hatte, lebt nicht mehr. Sie ist am 23. April im Alter von 81 Jahren verstorben. Als wir von ihrem Tod erfuhren, haben wir uns einige Clips mit Auftritten von Milva auf Youtube angeschaut. In den meisten dieser Filme steht die Diva in festlichen Abendkleidern auf großen Bühnen und singt mit tiefer Stimme, mit ihren Armen elegante Schleifen in Luft malend, Hurra, wir leben noch.

Das Lied klingt wie eine späte Hymne an die Nachkriegsgeneration, die Hunger Elend und Not überlebte und mit dem Wirtschaftswunder den Grundstein für unseren heutigen Wohlstand gelegt hat.

Von einigen Politikern wird die Corona-Pandemie als größte Krise seit Ende des zweiten Weltkriegs bezeichnet. Wir wollen uns da nicht anschließen, halten diesen Versuch, Parallelen zu ziehen, sogar für falsch. Not lässt sich nicht vergleichen.
Am Anfang von Corona standen Angst und Verunsicherung, die Menschen begannen teilweise zu hamstern, ein Begriff, den bis dahin die meisten von uns nur aus Erzählungen eben jener Nachkriegsjahre kannten. Dann kamen die Lockdowns, die für uns alle große Einschränkungen brachten. Abstand halten, Masken tragen, Kontaktverbote, unser Leben hat sich sehr verändert. Einige Zeilen aus Milvas Lied passen sehr gut in die heutige Zeit.

Wie stark ist der Mensch? Wie stark?
In der Not hilft weder Zorn, noch lammentieren.
Wer aus lauter Wut verzagt und nichts mehr tut,
Der wird verlieren.

Unsere Gesellschaft scheint gespalten wie nie zuvor. Auf der einen Seite Menschen, die auf die Regierung vertrauen und sich an die Vorgaben halten, auf der anderen Seite Kritiker*innen der Maßnahmen, Impfgegner*innen und Querdenker*innen, die alles infrage stellen.
Wenn Menschen zu uns kommen, dann spielt es keine Rolle mehr zu welchem Lager sie gehören. Wenn sie zu uns kommen, dann sind sie einfach nur noch Trauernde, für die wir da sein wollen.

Trotz Einschränkungen gelingt es uns Verstorbene mit Würde zu bestatten. Wir schützen uns und die Trauernden und ermöglichen sichere Abschiednahmen am offenen Sarg, auch mit einer letzten zärtlichen Berührung.
Was uns entsetzt hat, war die Behandlung von Toten als Sondermüll. Einige Bestatter*innen transportierten die Verstorbenen direkt vom Krankenhaus ins Krematorium oder legten die Toten in Bodybags in den Sarg und bestatteten die Särge dann ohne die Toten zu waschen, einzukleiden und zu versorgen.

Zum Glück kann dieser Praxis jetzt mit Hilfe des Robert-Koch-Instituts ein Riegel vorgeschoben werden. Die Politiker haben in einigen Bundesländern schon reagiert. In NRW heißt es in einem Rundschreiben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

(./.)Die Bestattung in Kunststoffhüllen ist unwürdig und pietätlos und stellt einen Verstoß gegen die Menschenwürde (§ 7 Abs. 1 BestG NRW) dar. Sie ist aus Gründen des Infektionsschutzes nicht notwendig, da es sich nach Einschätzung des RKI bei der Coronaerkrankung nicht um eine hochansteckende kontagiöse Krankheit handelt. Sie ist aus Gründen des Umweltschutzes (Boden und Grundwasser) sehr bedenklich. Zudem liegt ein Verstoß gegen § 11 BestG NRW vor. Das BestG NRW sieht in § 11 vor, dass Behältnisse von Aschen und zur Bestattung von Toten, deren Ausstattung und Beigaben von Totenbekleidung so beschaffen sein müssen, dass ihre Verrottung und die Verwesung von Toten innerhalb des nach § 4 Absatz 2 BestG festgelegten Zeitraums ermöglicht wird. (./.)

Als wir das gelesen haben, ist uns ein Stein vom Herzen gefallen. Auch, weil unser würdevoller Umgang mit den Toten sich im Nachhinein als richtig herausgestellt hat. Wir haben von Anfang an die Regeln des RKI befolgt und konnten trotzdem für die Trauernden einen bestmöglichen Abschied organisieren. Wir hoffen, dass man nun in unserer Branche schnellstmöglich diesen katastrophalen Zustand beendet und sich wieder den Hinterbliebenen zuwendet, anstatt die Toten einfach nur schnell und kostengünstig zu entsorgen.

Tote sind kein Sondermüll! Einen Abschied in Würde zu ermöglichen, ist unsere wichtigste Aufgabe.

Herzlichst



Hanna Roth       David Roth

Bergisch Gladbach im Mai 2021



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an kf98acf9bb69842daaff7bb592c6d2616.reichert@7649c70a3ea645d2b514c829d1f6e050puetz-roth.de, Stichwort „Denkanstoß”