Ägypter, Römer, Hethiter, Skythen – kein altes Kulturvolk wäre auf die Idee gekommen, Verstorbene ohne Grabbeigaben auf die letzte Reise zu schicken. Im Grab des Bogenschützen von Stonehenge (2300 v. Chr.) wurden rund 100 Gegenstände gefunden. Darunter waren goldene Haarspangen, Kupfermesser, Pfeilspitzen und Töpferware. In einem Grab aus der Eisenzeit in Offenbach-Bieber wurde ein Mädchen mit einem Knochenkamm, Amuletten aus Muscheln und Glasperlen, sowie einer eisernen Schere bestattet. Grabbeigaben sind Zeugen der Zeit, sie spiegeln den Totenkult, den Glauben oder auch Aberglauben, das Leben und seine Bedingungen, sowie die Entwicklung der Gesellschaft wider.
Wenn unsere Vorfahren so mit Tod umgegangen wären wie wir heute, würden wir viel weniger über ihre Kultur wissen. Was werden in 500 Jahren unsere Gräber über uns aussagen? Ich behaupte, man wird dann allenfalls einen Zettel im Grab vorfinden – darauf steht: „Wir waren hygienisch einwandfrei und gesetzestreu!“ Schreibt uns der Gesetzgeber nicht vor, unsere Toten wie Sondermüll möglichst schnell zu entsorgen? Auch die meisten Bestatter drängen zu einer schnellen Lösung des „Problems“. Sie verkaufen lieber Totenhemden, als den Trauernden zu raten, sich über die Auswahl von Lieblingskleidung und Grabbeigaben, die dem Verstorbenen im Leben wichtig waren, mit dem Tod des geliebten Menschen auseinander zu setzen.
Als meine Mutter gestorben ist, sie war eine alte Bäuerin, da haben wir ihr erst einmal die Sachen angezogen, die ihr wichtig waren. Dann haben wir ihr das Plumeau und den Bettbezug in den Sarg gelegt. Wir haben ihr all die Dinge mitgegeben, die ihr im Leben etwas bedeutet und ihr Spaß gemacht haben. Meine Mutter hatte einen „grünen Daumen“, sie brauchte nur einen Stock in die Erde zu stecken und schon begann er zu blühen. Also haben wir ihr alle Blumen des Bauerngartens mitgegeben, aber nicht nur die Blumen, sondern auch die dazugehörigen Samentütchen mit der Beschreibung des Samens, ihr Gartenhäckchen, ihre Gartenzeitung und ihre Gartenschürze. Und meine Mutter aß gerne Shrimp-Cocktail und so bin ich am letzten Tage noch mal hingegangen und habe ihr in den Sarg eine Portion Shrimp-Salat gelegt.
Die Auswahl der Grabbeigaben und das Hineinlegen dieser letzten Geschenke in den Sarg ermöglicht einen ganz besonderen Umgang mit Trauer, der nichts mit der Ex-und-hopp-Mentalität unserer Gesellschaft zu tun hat. Man bekommt so die Chance, noch mal darüber nachzudenken, was im Leben des Verstorbenen wichtig war, was hat er/sie gerne gegessen, was hat er/sie gerne angezogen, was hatte er/sie für Hobbies? Die Symbole dafür werden in den Sarg gelegt – das sind ganz einfache Dinge.
Mit großer Wirkung. Trauer bedeutet auch, sich selbst den Unterschied zwischen Tod und Leben klarzumachen, zu erfahren, was es heißt, zu leben und zu akzeptieren, dass unser Leben begrenzt ist und das Leben deshalb etwas sehr Kostbares ist. Wäre das nicht eine schöne Nachricht an die, die da später kommen und aus unseren Gräbern etwas über unsere Kultur erfahren möchten.
Ihr Fritz Roth