Trauer und Freude sind „große“ Gefühle. Und Gefühle brauchen Ausdruck – eine ganz besondere Ausdrucksform sind Tränen. Wir Menschen haben die Fähigkeit, Tränen der Freude zu weinen und Tränen der Trauer. Alle diese Tränen kommen aus ein und derselben Quelle. Es ist wichtig, dass wir unsere Freudentränen und unsere Tränen der Trauer und des Schmerzes fließen lassen, sie nicht unterdrücken. Das Lachen sollte uns genauso wenig im Halse stecken bleiben wie der Trauerklos.
In unserer Gesellschaft hat es sich eingebürgert, Leben und Tod strikt zu trennen. Wir tun so, als wenn der Tod gar nicht zum Leben gehörte. In meinem Haus der menschlichen Begleitung in Bergisch Gladbach führe ich Leben und Tod unter einem Dach wieder zusammen. Wir holen den Tod ins Leben, bieten Trauernden die Gelegenheit „hinzuschauen“, sich mit Endlichkeit zu konfrontieren und vertraut zu machen. Eine unter Umständen befreiende Erfahrung. Wer hinschaut, schafft es, den Tod zu akzeptieren und darüber einen besonderen Blick auf das eigene Leben zu gewinnen. Wenn Leben, Tod und Trauer unter einem Dach eine gemeinsame Heimat finden, dann ist es eigentlich selbstverständlich, dass in diesem Haus beider Art Gefühle – eben Trauer und Freude – willkommen sind. Tränen der Trauer und Tränen der Freude.
Über die Ausdrucksform des Kabaretts gelingt es, so habe ich es zumindest die letzten zehn Jahre erlebt, Menschen für das Thema Sterblichkeit zu öffnen, Menschen, die leben, als würde es den Tod überhaupt nicht geben, Menschen, die ihre eigene Sterblichkeit ignorieren und damit auch keinen Zugang zu einem erfüllten Leben finden. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit löst Emotionen aus. Emotionen erzeugen Bewegung, führen zu Handlungen und eventuell zu Veränderungen. Andere Werte werden bedeutsam, Werte jenseits von cool sein, smart sein, Egoist sein.
Die Idee zum „Tod im Rheinland“ hatte ich vor zehn Jahren, als ich nach neuen Wegen suchte, um Menschen anzusprechen, denen es schwer fiel, sich mit dem Thema Tod auseinander zu setzen. Ich beauftragte damals Martin Stankowski und Rainer Pause, für das Haus der menschlichen Begleitung ein Stück zu schreiben, das dann in den Räumen aufgeführt werden konnte, in denen es sonst um Trauer und Tod ging. Oberstes Gebot war natürlich, die Gefühle der Trauernden und die Würde der Toten nicht zu verletzen. Ich bin damals mit Martin Stankowski und Rainer Pause über Friedhöfe gewandert, wir haben die einschlägigen Bestattermessen besucht, ich haben den beiden einen Einblick in eine Branche verschafft, die Licht und Schatten kennt, auch wenn in der Öffentlichkeit häufig nur der Schatten zur Kenntnis genommen wird.
Dies war der Auftakt zu einer sehr erfolgreichen Veranstaltungsreihe, für die ich auch Hans Dieter Hüsch mit seinem Stück „Vom Essen und vom Sterben“ gewinnen konnte.
Trauer und Freude gehören zum Leben. Im Haus der menschlichen Begleitung ist Platz für beides.
Ihr Fritz Roth