Die Adventsbeleuchtung taucht die Innenstädte in warmes Licht, die Weihnachtsmärkte duften nach gerösteten Maronen, knusprigem Lebkuchen und leckerer Thüringer. Die Menschen schlendern durch die Kaufhäuser auf der Suche nach Geschenken für ihre Lieben. Auch Huberta Schneider (81) hat sich in den Weihnachtstrubel gestürzt. Die »rüstige« Rentnerin ist gern unter Menschen, vor allem wenn sie gut gelaunt und glücklich sind, wie in der Weihnachtszeit. Huberta kauft ein paar Kleinigkeiten für ihre Kinder und Enkelkinder und freut sich schon darauf, am Heiligen Abend ihre strahlenden Gesichter zu sehen. Weihnachten, das Fest der Liebe!
Doch die Vorweihnachtszeit hat für Huberta Schneider auch dunkle Momente, dann sitzt sie in ihrer Wohnung im Kerzenschein, hört leise CDs von Glenn Miller und denkt an Hans. »Ihr Hansi«, der immer für die Kinder den Nikolaus gespielt hat, der die Weihnachtsgans gefüllt und der ihr am ersten Weihnachtsfeiertag immer das Frühstück ans Bett gebracht hat. Ein Ritual, das fast 50 Jahre gehalten hat. Bis zu Hans Tod im Jahr 2001.
Mitten in solch eine traurige Phase platzt der Anruf von Marina. Hubertas Enkelin schlägt vor, dass die Familie das Weihnachtsfest dieses Jahr bei ihr in Bad Homburg feiern könnte. Auch Huberta willigt ein, sie freut sich auf das Fest – sagt sie. Aber Marina hört doch heraus, dass ihre Oma bedrückt ist und macht sich Sorgen.
Die Weihnachtszeit ist nicht für alle die »schönste Zeit« des Jahres. Menschen, die einen Verlust erlitten haben – und hier spielt es keine Rolle, ob der Tod des geliebten Menschen Wochen, Monate oder Jahre zurückliegt – quälen Erinnerungen, oft melden sich Gefühle der Trauer zurück. Und das Schlimmste ist, man traut sich nicht, diese Gefühle mitzuteilen, weil man den anderen durch die traurige Stimmung nicht das Weihnachtsfest vermiesen will.
Aber auch Trauer ist Liebe. Die Liebe zu denen, die wir vermissen. Wenn sich Menschen in der Weihnachtszeit zurückziehen und immer bedrückter werden, sollte man sie nicht allein lassen mit ihren Gedanken. In bestimmten Situationen, in denen man an den verstorbenen Partner, die Partnerin, den Vater oder die Mutter erinnert wird, ist plötzlich der Schmerz wieder da.
Da hilft Reden. Man sollte den Mut haben, seine Angehörigen darauf anzusprechen. Man sollte Tränen aushalten können und sich gemeinsam an die Verstorbenen erinnern. Und Trauernde sollten den Mut haben, mit ihrer Familie zu sprechen. Dann können die Verstorbenen ein Teil des Festes sein. Denn in unseren Herzen werden sie immer einen Platz haben. Marina schlägt Oma Berta vor, schon eine Woche vor Heiligabend zu ihr zu kommen und ihr bei den Vorbereitungen des Weihnachtsfestes zu helfen. Beim Plätzchenbacken und beim Schneiden der Tannenzweige gibt es reichlich Gelegenheit, sich zu unterhalten. Und Huberta erzählt: von »Hansi«, mit dem sie ihr ganzes Leben zusammen war und den sie so schmerzlich vermisst.
Am Weihnachtsmorgen geht leise die Tür vom Gästezimmer auf. Marina schleicht sich mit einem Tablett herein. Der Kaffeeduft weckt Oma Berta, die große Augen macht. Vor ihr steht Marina mit dem Frühstück und lächelt. Marina stellt das Tablett vorsichtig auf die Bettkante und zieht sich einen Stuhl heran. Das gemeinsame Frühstück macht diesen Weihnachtsmorgen zu etwas ganz Besonderem.
Bergisch Gladbach, im Dezember 2005
Ihr Fritz Roth