Denkanstoß 35 – Die letzte Ruhestätte

„Denn du bist Staub von der Erde, und zu Staub musst du wieder werden!“
Was aber mit diesem Staub passieren soll, diese Entscheidung überlässt die Bibel den Menschen selbst, die heutzutage vom Tod soweit „entzogen“ sind, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als das Sterben, die Trauer, das Begräbnis an Professionen/Experten zu delegieren, die dann meist beflissen, die von den Bedürfnissen der Trauernden sehr entfernten Gesetze und Verordnungen expressis verbis umsetzen. Leider!

Schon in der Steinzeit machten sich unsere Vorfahren Gedanken, wie der Abschied von den Toten gestaltet werden könnte. Schon seit den frühesten Funden unserer Menschheitsgeschichte deuten Grabbeigaben auf rituelle Begräbniszeremonien hin. Als der Mensch sesshaft wurde, fing er an, für verstorbene Familienmitglieder eigene Orte zu erschaffen.

Die Geburtsstunde des Friedhofs. Mit fortschreitender Gesellschaftskultur, wie z.B. in der Antike hat man dann die einst reinen Familiengräber durch Ruhestätten ersetzt, die für die Gemeinschaft geöffnet wurden. Später sorgten die Christen in unserem Abendland für eine weitere Verbreitung dieser Tradition. Die frühen Friedhöfe lagen meist um die Kirche herum im Zentrum der Dörfer und Städte. Der Kirchhof war gleichzeitig der Friedhof der Gemeinde und erinnerte täglich an die eigene Sterblichkeit. Dann kam das Mittelalter und mit ihm Pest, Cholera und Aberglauben. Aus Angst die Toten könnten Seuchen übertragen, verbannte man die Friedhöfe aus der Stadt. Mit weit reichenden Folgen: aus den Augen, aus dem Sinn.

Denn zeitgleich wurde auch immer mehr das Sterben hinter die Mauern von Krankenhäusern und Pflegeheimen verdrängt. Und so verschwand der Tod allmählich aus dem alltäglichen Leben. Auch Staat und kommunale Verwaltung tragen zu diesem Verdrängen bei, in dem sie auch in unserer Zeit noch Gesetze erlassen, die vom Sargzwang bis zur normierten Größe des Grabsteines alles regeln. Wenn wir heute Friedhöfe besuchen, um uns an Verstorbene zu erinnern, finden wir immer öfter nur noch Einheitsgräber, die nichts darüber aussagen, wer dort begraben liegt. Und so verlernen wir, mit Tod und Trauer natürlich umzugehen.

Haben Sie schon einmal Pläne für ein Neubaugebiet gesehen, die einen Friedhof vorsahen? Ich nicht. Alles, was an unseren eigenen Tod erinnern könnte, wird verdrängt. Dabei wäre es wichtig hinzusehen. Memento mori! Der Tod erinnert uns daran, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist.

Als im Mai die Gärten der Bestattung eröffnet wurden, sollte alles anders werden. Weg von anonymen Steinwüsten und hin zu einem einzigartigen Garten mit individuellen Erinnerungsplätzen, die so einzigartig sind, wie die Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Mein Friedhof lädt ein, dass wir den Tod wieder begreifbar und vertrauter in unser Leben zurückholen. Gleichzeitig macht er Mut, dieses so lebenswichtige Thema zu entbürokratisieren.

Bergisch Gladbach, im August 2006
Ihr Fritz Roth