„Ich lese jeden Morgen die Todesanzeigen in der Zeitung – wenn mein Name nicht dabei steht, dann mache ich einfach weiter wie bisher“ (Dizzy Gillespie, 1917-1993)
Diese Angewohnheit von Dizzy Gillespie wird vielen bekannt vorkommen. Die Rubrik Todesanzeigen ist trotz ihres traurigen Inhalts bei Zeitungslesern sehr beliebt. Die Todesanzeigen zählen neben dem Sport- und Lokalteil zu den meistgelesenen Seiten regionaler Tageszeitungen. Und das schon seit über 250 Jahren. Die älteste bekannte Todesanzeige stammt aus dem Jahr 1753 und erschien im Ulmer Intelligenzblatt*:
„In der Nacht, unterm 14. huj. Ist Totl. Herr Johann Albrecht Cramer, weiland des Raths, Zeugherr und Handelsmann allhier, in einem Alter von 70 Jahren an einem Schlagfuss gestorben“. Damals dienten die Todesanzeigen tatsächlich fast ausschließlich der Information, entsprechend sachlich war der Ton. Geschäftspartner, Schuldner und Gläubiger wurden über das Ableben eines Gemeindemitglieds informiert.
Heutzutage stehen Trauer und Abschiedsschmerz im Mittelpunkt, wenn Verwandte und Freunde den Tod des „geliebten Großvaters“ und „treuen Freundes“ über die Zeitung verkünden. Ich setze geliebten Großvaters und treuen Freundes ganz bewusst in Anführungszeichen. Formulierungen wie diese, findet man jeden Tag hundertfach in den Traueranzeigen großer und kleiner Zeitungen. Sie gehören zum Standardvokabular dieser Anzeigen.
Woran liegt das? Warum finden sich in Traueranzeigen kaum Texte, die mehr über die Verstorbenen erzählen, die der Trauer der Hinterbliebenen auf kreative Art Ausdruck verleihen. Oft hat man das Gefühl, dass die Bestatter, die die Anzeigen bei der Zeitung in Auftrag geben, die immer gleichen Textbausteine verwenden. Nur die Namen der Verstorbenen werden ausgetauscht. Wir sind als Menschen einzigartig, warum wir die Toten mit Standardformulierungen abspeisen, kann ich nicht nachvollziehen.
Man sollte sich nicht von Standards und Normen einengen lassen und selbst entscheiden, was Gestaltung und Inhalt der Traueranzeige angeht. Manchmal muss dem „Das-macht-man-eben-so“, das einem auf Behörden und leider auch von vielen Bestattern als Argument vorgesetzt wird, einfach übergehen. „Mit-mir-nicht“ sollte die Antwort darauf lauten! Ich möchte Ihnen Mut machen, sich nichts vorschreiben zu lassen. Trauer ist Liebe. Und in der Liebe halten sie sich ja auch nicht an Standards und Normen. Trauer braucht Ausdruck. Schreiben Sie auf, was sie fühlen. Sie werden die richtigen Worte finden. Wer den Umgang mit dem Tod an Professionen delegiert, vertut die Chance, etwas Entscheidendes für das Leben zu lernen. Der Tod führt uns vor Augen, dass wir endlich sind. Er gibt uns ein Gefühl dafür, dass unsere Lebenszeit begrenzt ist und damit zu kostbar, um sie unachtsam verstreichen zu lassen.
Bergisch Gladbach, im April 2007
Ihr Fritz Roth