»Ich würde mich nie verbrennen lassen!« Hilde Bencher (82) lehnt Urnenbestattungen strikt ab. Die alte Dame mit den wachen blauen Augen hat überhaupt kein Problem damit, offen mit ihrem Sohn Martin über die Zeit »nach ihr« zu sprechen. Hilde will ganz traditionell im Sarg in der Erde bestattet werden. »Es heißt zur letzten Ruhe betten und genau so will ich das haben« sagt sie scherzhaft und lächelt verschmitzt.
Rund 50 Prozent der Deutschen, in Großstädten sind es sogar über 75 Prozent, sind anderer Meinung als Hilde Bencher. Immer mehr Menschen spielen mit dem Gedanken, sich nach ihrem Tod verbrennen zu lassen. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es gerade mal 3 Prozent. Die Gründe für den Boom, den diese Bestattungsform erlebt, sind oft ganz irdischer Natur. Es geht ums Geld. Eine Urnenbestattung ist günstiger als die traditionelle Erdbestattung. Auch die Folgekosten für die Pflege des Urnengrabes sind nicht so hoch, wie bei einem gewöhnlichen Reihengrab.
Die Feuerbestattung war schon in der Antike die häufigste Bestattungsform. Im Jahr 785 ließ die katholische Kirche die Feuerbestattung verbieten. Begründet wurde dieses Verbot mit dem Hinweis darauf, dass der Körper bei der Auferstehung nicht verbrannt sein dürfe. Aus genau diesem Grund mussten »Hexen« damals übrigens verbrannt werden. Erst 1964 hob die katholische Kirche das Verbot der Feuerbestattung wieder auf.
Im frühen 19. Jahrhundert wurden die ersten Krematorien gebaut. Die Mediziner dieser Zeit hatten in der Bevölkerung Ängste geschürt, dass durch die miserablen hygienischen Zustände der Friedhöfe Seuchen und Krankheiten Verbreitung fänden. Das Märchen vom »Leichengift« stammt wohl auch aus dieser Zeit.
Da in Deutschland immer noch per Gesetz ein Friedhofszwang für Urnen besteht, kann man die Urne nicht wie z. B. in Holland zuhause aufbewahren. Da gehört sie meiner Meinung nach auch nicht hin. Trauer braucht einen Ort des Erinnerns und Gedenkens. Einen Gedenkplatz, der nicht im Alltag einfach untergeht und so langsam aus dem Blickfeld verschwindet. Ob dies allerdings auf einem Friedhof sein muss, ist sicherlich zu diskutieren. Es gibt gute Gründe, Urnen analog einer Seebestattung, auch an Plätzen beizusetzen, die für den Verstorbenen oder dessen Angehörige eine besondere
Bedeutung haben.
Es sollte möglich sein, derartige Plätze zu kennzeichnen und eine Gedenktafel oder zumindest ein Namensschild anzubringen, so wie wir es von den Kreuzen, die an Verkehrstote erinnern her kennen.
Auf dem Friedhof, der mittlerweile zu unserem Haus der menschlichen Begleitung in Bergisch Gladbach gehört, werden täglich, auch am Wochenende oder an Feiertagen, zu jeder Tages- und Nachtzeit Urnen beigesetzt. Die Trauerfeiern sind so unterschiedlich und kreativ, wie die Menschen, die zusammen kommen, um Abschied zu nehmen. In unserem Haus finden traditionelle Abschiedszeremonien statt, wir ermuntern die Trauernden aber auch, eigene Wege zu finden, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
Hilde Bencher wurde nach einem Besuch unseres Friedhofs nachdenklich. Sie lobte die Vielfalt der Grabstellen und erfreute sich an der Natur und den vielen Meditationsplätzen in den »Gärten der Bestattung«. »Vielleicht denke ich doch noch einmal darüber nach …«, die Vorstellung die letzte Ruhe an einem Ort zu finden, den die Verwandten gerne besuchen, um sich an ihre Oma, Mutter und Freundin zu erinnern, war ein schöner Gedanke.
Bergisch Gladbach, im Juli 2007
Ihr, Fritz Roth