Denkanstoß 48 – Mein Wille geschehe – Sterben in Zeiten der Freitodhilfe

Das neue Buch von Dr. Svenja Flaßpöhler rüttelt an einem Tabu. Wie der Tod, so ist auch das Sterben in unserer Gesellschaft aus dem Alltagsleben verdrängt worden. Ich rede nicht von Tod und Sterben wie sie uns in den Medien jeden Tag dutzendfach vorgeführt werden.

Es geht darum, wie wir mit dem realen Tod, dem Sterben von Verwandten und Freunden und letztendlich auch unserem eigenen Tod umgehen. Gestorben wird heutzutage im Pflegeheim oder im Krankenhaus. Ärzte und Pfleger tun alles, um uns am Leben zu halten, auch wenn Leben in einigen Fällen nur noch Leiden bedeutet. Für den Abschied wird eine Trauerfeier in der Friedhofskapelle organisiert. Der Tote wandert von der Obhut des Arztes in die Obhut des Bestatters. Kaum jemand stirbt noch zuhause oder wird nach dem Tod zuhause aufgebahrt. Dabei wäre zuhause, eine vertraute Umgebung, genau der richtige Ort zum Sterben und zum Trauern. In dem neuen Buch von Svenja Flaßpöhler geht es nun um eine ganz besondere Art des Sterbens. Es geht um den Freitod.

In der Schweiz gibt es mit »Exit« und »Dignitas« zwei Organisationen, die todeswillige Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten. Spätestens seit »Dignitas« eine Zweigstelle in Hannover eröffnet hat, ist das Thema des institutionalisierten, assistierten Freitods auch in Deutschland angekommen. Zwei Drittel der Deutschen sind laut einer Forsa-Umfrage der Meinung, ein schwer kranker Mensch solle über Zeitpunkt und Art seines Todes selbst bestimmen dürfen.

In ihrem Buch nähert sich Dr. Svenja Flaßpöhler dem Suizid aus philosophischer und kulturgeschichtlicher Sicht. Sie schlägt den Bogen von der Antike, in der der Selbstmord als eine durchaus ehrbare Praxis angesehen wurde, hin zu zwei konkreten Menschen, bei deren begleitetem Sterben sie anwesend war. Sie beschreibt die Atmosphäre und den Verlauf des Sterbens, die Motive der Sterbebegleiter und die Gedanken und Gefühle von Angehörigen und Freunden.

Das Buch ist ein wertvoller Beitrag zur Diskussion des Themas. Es wird kein abschließendes Urteil gefällt und auch keine Empfehlung gegeben, es geht der Autorin darum, Denkanstöße zu liefern und den Meinungsbildungsprozess zu begleiten. Nur wer sich informiert, kann sich wirklich eine Meinung bilden. Zum Hinschauen und Hinhören wollen wir am 10.07.2008 herzlich einladen.

Es gibt Gesetze, Verordnungen und Vorschriften die regeln, was an der Schnittstelle von Leben und Tod zu passieren hat. Ich bin der Meinung, eine Gesellschaft – und die Gesellschaft sind wir, jeder einzelne von uns – sollte mit Sterben und Tod vertraut sein. Nur dann können wir die für uns richtige Entscheidung treffen. Diese Entscheidung sollten wir uns nicht vom Gesetzgeber, aber auch nicht von Ärzten und anderen Professionen abnehmen lassen. Wir sollten wieder eine eigene Meinung zu diesen Themen haben, ja wir sollten uns von diesen Themen berühren lassen, um über diese Berührung vielleicht auch wieder Antworten im Glauben zu finden.

Bergisch Gladbach im Juni 2008
Ihr Fritz Roth