Der graue triste November gilt in Deutschland traditionell als Trauermonat. An Allerheiligen und Allerseelen gedenken die Katholiken den Verstorbenen, am Totensonntag erinnern die Protestanten an ihre Toten und die Gefallenen der Weltkriege kommen am Volkstrauertag zu ihrem Recht. Dazu gesellt sich Halloween, dessen Ursprünge Kulturwissenschaftler in dem keltischen Fest Samhain zu erkennen glauben. An Samhain soll es den Geistern der Toten möglich sein, Kontakt mit den Lebenden aufzunehmen. Leider steht der Klamauk an Halloween bei uns im Vordergrund, dabei böte gerade dieses Fest die Chance, das Leben zu feiern und der Toten zu gedenken.
Auch in Mexiko wird Anfang November der Verstorbenen gedacht. Bereits Mitte Oktober beginnen die Geschäfte, sich für die bevorstehenden Feiertage herauszuputzen. Die Schaufenster werden mit bunten Skeletten und Totenskulpturen geschmückt. Der Tod erscheint mal in barocker Pracht, mal als makaber, düstere Leiche. Bäcker und Konditoren versuchen sich gegenseitig mit den Calaveras de Dulce, menschlichen Schädeln aus Zuckerguss, und Brot und Gebäck in Knochenform, dem Pan de Muerto, zu übertreffen.
Der Umgang der Mexikaner mit dem Tod wirkt auf westliche Kulturen irritierend. Der Tod wird als etwas betrachtet, vor dem man keine Angst zu haben braucht. Die Menschen glauben, dass die Toten zum Ende der Erntezeit zu Besuch aus dem Jenseits kommen, um mit den Lebenden ein feucht-fröhliches Fest zu feiern. Die Verstorbenen kehren für einige Stunden zu ihren Familien zurück.
So wie die Lebenden von nah und fern anreisen, müssen auch die Verstorbenen zunächst den Weg nach Hause finden. An den Häusern werden bunte Laternen aufgehängt und bis an die Gräber ausgestreute Ringelblumen weisen den Toten den Weg. In den Wohnungen stellt man Ofrendas auf, traditionelle Totenaltäre, die reich mit Speisen und Getränken gedeckt werden. Bilder der Verstorbenen sollen an gemeinsame Zeiten erinnern. Eine aus Palmblättern geflochtene Matte soll den Seelen als Ruhestätte dienen. Die Mexikaner geben sich viel Mühe, damit es den Verstorbenen bei ihrem Besuch an nichts fehlt.
Am Ende des Día de los Muertos nehmen die Familien auf den Friedhöfen Abschied von den Toten. Es wird gefeiert und getanzt. Um Mitternacht kehren die Verstorbenen wieder ins Jenseits zurück. Das Fest ist zu Ende, bis die Toten im nächsten Jahr wieder zu Besuch kommen.
Der Día des los Muertos ist ein wunderbarer Brauch und ein schönes Beispiel für gelebte Erinnerungskultur, von der wir uns, was den Umgang mit unseren Toten angeht, inspirieren lassen sollten.
Bergisch Gladbach im Oktober 2008
Ihr Fritz Roth