So spricht der Volksmund und zwar immer dann, wenn es mal wieder ansteht, sich dafür zu entschuldigen, dass man gerade sein Geld mit vollen Händen zum Fenster raus wirft. Bedenkt man, was ein Totenhemd bei uns Bestattern häufig kostet, steckt in dem Halbsatz vom Geld und dem Fenster jede Menge Ironie. Totenhemden sind teuer und dienen eigentlich nur einem Zweck: Posthum wird den Hinterbliebenen die Chance gegeben, ihre Wertschätzung und Liebe, oder insgeheim ihrem schlechten Gewissen dem Toten gegenüber Ausdruck zu verleihen. Sollten Wertschätzung und Liebe, und natürlich auch ein schlechtes Gewissen, nicht besser im Leben ihren Platz haben?
Das Totenhemd, und das war nicht immer so, wurde wie alles was mit Sterben und Tod zu tun hat, von unserer Gesellschaft an den äußersten Rand verdrängt. Wohl kaum jemand stellt sich heutzutage zu Lebzeiten die Frage nach dem eigenen, ganz persönlichen letzten Hemd. Ist es dann passiert, sind die Angehörigen in ihrer Trauer und ihrem Schmerz häufig überfordert. Die Kleiderordnung für die letzte Ruhe bestimmt dann das Bestattungsgewerbe. Von schlicht bis extravagant – das Angebot ist vielfältig. Ob nun goldbestickt oder mit Rüschen verziert, in unserer konsumorientierten Ex- und Hoppgesellschaft gibt es nichts, was es nicht gibt. Nicht selten werden Hunderte von Euro für ein Totenhemd hingeblättert.
Den Trauernden, die zu mir kommen, rate ich, den Verstorbenen in seinen vertrauten Kleidern zu beerdigen. Wenn man sich als Angehöriger die Zeit nimmt, sich vor den Kleiderschrank des verlorenen Menschen zu stellen und in Ruhe überlegt: In welchen Kleidern hat sie oder er sich wohlgefühlt – in welchen Kleidern hatten wir vielleicht sogar gemeinsam schöne Momente?, dann ist dies eine ganz persönliche Sache und auch ein Stück Trauerarbeit für den Hinterbliebenen.
Die Angst, sich mit dem Tod zu beschäftigen, ist ein Phänomen, das in den letzten Jahrzehnten dazu geführt hat, dass Sterben und Tod aus dem Leben verbannt wurden. Wie wäre es, wenn wir jenen alten Ritus wieder aufleben lassen könnten, der einem bei manch altem Menschen, etwa in Osteuropa, noch immer begegnet? Ist es nicht ein faszinierender Gedanke, sich sein Totenhemd selbst zu nähen und es im Schrank mit der normalen Wäsche aufzubewahren, sozusagen als lebenslanges Memento Mori?
Wem dieser Brauch in der heutigen Zeit widerstrebt, findet im jüdischen Glauben einen interessanten Denkanstoß: Nach alter jüdischer Tradition wird der Leichnam des Verstorbenen in ein schlichtes, leinenes Totenhemd ohne Taschen gekleidet.
Im Tod sind alle sozialen Unterschiede aufgehoben.
Fritz Roth