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Denkanstoß 40
"Familienbande"

Die Blumen-Benders gehören zu den alteingesessenen Familien in Hofberg in der Nähe von Osnabrück.i Die Gärtnerei wird in der zweiten Generation von Anneliese Bender erfolgreich geführt. Keine Hochzeit ohne wunderbare Rosensträuße aus dem Hause Bender und auch keine Beerdigung ohne die geschmackvollen Kränze und Gestecke, für die Anneliese ein ganz besonderes Händchen hat.

Die Firma wurde in den 70ziger Jahren von Frank und Annette Bender geründet. Die beiden begannen mit einem kleinen Lädchen in der Innenstadt, kauften aber schon bald ein Gelände am Stadtrand dazu, auf dem etliche Gewächshäuser gebaut wurden. Auch der Handel mit Ziersteinen und Erden florierte. Anneliese hatte wie ihre Mutter einen grünen Daumen und stieg in bei Blumen-Bender ein, ihre Schwester Petra studierte Medizin und eröffnete im Nachbarort eine Landarztpraxis.

Die Benders waren erfolgreiche Geschäftsleute, ein Familienbetrieb auf Expansionskurs, jeder Euro der reinkam, wurde sofort wieder investiert. In der Firma arbeiteten 6 Floristinnen und 8 Gärtner. Und natürlich die drei Benders. Urlaub wurde so gut wie nie gemacht und deshalb waren Anneliese und Petra doch sehr überrascht, als ihre Eltern ihnen eröffneten, dass sie endlich nach 30 Jahren Ehe ihre Hochzeitreise nachholen wollten.
Die älteste Tochter hatte den Laden im Griff und die Eltern machten sich auf den Weg zu einer Rundreise zu den schönsten Schlössern und Gärten Frankreichs.

Jeden Tag kam eine WhatsApp mit Selfies von glücklichen Eltern vor den Schlössern der Loire. Als nach einer Woche keine WhatsApps mehr geschickt wurden, ahnten die Töchter, dass was passiert sein musste.

Frank und Anette Bender kamen bei einem Verkehrsunfall in der Nähe von Orléans ums Leben. Der Fahrer eines entgegenkommenden LKWs hatte die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Die Benders hatten keine Chance, sie starben noch an der Unfallstelle.

Der ganze Ort kam zur Beerdigung und es war einer der traurigsten Momente im Leben der Floristin den Grabschmuck für ihre Eltern zu gestalten. Petra hatte mit dem Bestatter die Überführung der Toten geregelt, die Trauerfeier organisierten sie und ihre Schwester gemeinsam.

Eine Woche nach dem Abschied von den geliebten Eltern setzten sich die Frauen zusammen, um zu beraten, wie es weitergehen sollte. Ein Testament hatten ihr Vater und ihre Mutter nicht hinterlassen. Das Erbe würde also zu gleichen Teilen aufgeteilt. Gemeinsam machten sie eine Liste. Da gab es das Wohnhaus, in dem sich der Blumenladen und Annelieses Wohnung befand, Wert etwa 200 000 Euro. Dann waren da die Gewächshäuser und das Land auf dem sie standen, Wert etwa 250 000 Euro. Der Wert der Firma wurde mit 100 000 Euro angesetzt und es gab ein kleines Mietshaus, mit dessen Einnahmen die Eltern im Alter ihre Rente aufbessern wollten, Wert etwa 250 000 Euro.

Zusammen hatten es die Benders im Lauf ihres Lebens zu einem stattlichen Vermögen in Höhe von etwa 800 000 Euro gebracht. Schwesterlich zu teilen, hätte nun bedeutet, dass jede der beiden Schwestern 400 000 Euro hätte bekommen müssen. Nun darf man nicht vergessen, dass Anneliese seit Jahren die Firma mit aufgebaut hatte, außerdem hatte Petra für die Einrichtung ihrer Praxis von ihrem Vater damals 30 000 Euro bekommen, was aber nirgends festgehalten worden war.

Beide Schwestern holten sich Rat bei Anwälten, die ganz unterschiedliche Vorstellungen hatten, wie das Vermögen am besten zu teilen wäre und zum ersten Mal kam Missstimmung auf, zumal auch die Ehepartner der Schwestern versuchten, Einfluss zu nehmen.

Es entstand große Verunsicherung, die sich bei Anneliese zu echter Existenzangst steigerte. Nicht ganz zu unrecht. Ihre jüngere Schwester saß am längeren Hebel. Würde Petra auf die Auszahlung ihres Erbteils bestehen, dann müsste das Traditionsunternehmen Blumen-Bender verkauft werden. Das Geschäftshaus war ohne die Gewächshäuser deutlich weniger Wert und umgekehrt genauso und ohne die Gebäude war der Wert der Firma auch deutlich niedriger.

Eine schwierige Situation. Es sind genau diese Situationen, die Familienbande zum Zerreißen bringen.

Wenn erstmal Anwälte, Ehepartner und andere Berater mit am Tisch sitzen, dann ist häufig Ärger vorprogrammiert. All das wäre zu vermeiden gewesen, wenn die Benders ein Testament gemacht hätten. Fair wäre gewesen, einen Teil der Firma schon zu Lebzeiten auf ihre ältere Tochter zu überschreiben. Im Testament hätte man dann z.B. regeln können, dass das Miethaus an Petra gehen soll und sie, sollte ihre Schwester die Firma, das Gebäude und die Gewächshäuser verkaufen, einen Teil des Erlöses bekommt. Natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten eine gute, einvernehmliche Lösung zu finden. Nur muss man sich halt rechtzeitig, zu Lebzeiten darum kümmern.

Der Fall der Benders ist fiktiv, aber sehr nah an der Realität. Er soll zeigen, welche Probleme entstehen können, wenn man sich nicht darum kümmert, den Nachlass zu regeln. Wird erstmal ums Erbe gestritten, dann verliert man auf jeden Fall, nicht unbedingt Geld, auf der Strecke bleiben oft die Familienbande.

i Name, Ort und Geschäftszweig sind erfunden. Der Denkanstoß soll exemplarisch für die Probleme stehen, die im Erbfall entstehen können.

Herzlichen Gruß

Hanna Roth                    David Roth


Bergisch Gladbach im Januar 2020 

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ke1d44931615b4039a12fe4360759e205.reichert@d3dfa71e5312428589c092448e517bf5puetz-roth.de, Stichwort „Denkanstoß”