Der „Pfad der Sehnsucht“ beginnt mit der mehrfach gewundenen vergoldeten Linien-Skulptur aus Eisenblech von Knopp Ferro. Diese Arbeit spiegelt den Verlauf jedes menschlichen Seins.
Über Jahrhunderte sind wir zum „Cogito, ergo sum“, „ich denke, also bin ich“ erzogen worden. Die gesamte Installation lädt den Betrachter ein, sich einem „Credo, ergo sum“, „ich glaube, also bin ich“ zu öffnen. Deshalb verlässt er die Rationalitätsebene und steigt symbolisch ab auf eine emotionale Ebene.
Es ist unmöglich, einem Zurückbleibendem ein Konzept für seinen Trauerweg vorzugeben, aber es ist möglich, ihm ein Gespür zu vermitteln, dass er auch über den Tod hinaus von den „guten Mächten“ derer, die er irdisch vermisst, begleitet wird.
Der Weg in die „Zyklen der Stille“ führt zu einer Glaswand. Hinter einem Schleier fließenden Wassers, das die stetige Veränderung allen Seins symbolisiert, steht ein Text von Nelly Sachs: „Alles beginnt mit der Sehnsucht“. Doch um dies zuzulassen und zu entdecken, muss der Betrachter erst den Tod der Person, nach der er sich sehnt, zulassen und akzeptieren.
Jeder Tod ist für den, der damit leben muss, wie eine Lawine, ein Erdbeben, ein Zusammenbruch bestehender Lebensvorstellungen. Der Tod – symbolisiert durch eine Gerölllawine – bricht in die alltägliche Welt ein. Der Betrachter muss seinen Weg durch ein Trümmerfeld finden. Und wenn er versucht, die Bruchstücke zu sortieren, entdeckt er die Spuren, die von der Lebensbahn des Verstorbenen zurückgeblieben sind.
Der weitere Weg führt in einen Glasgang. Die rechte Kopfwand wird durch das übergroße Foto einer menschlichen DNA-Analyse bestimmt. Sie vermittelt dem Betrachter die Einzigartigkeit jeden menschlichen Seins.
Der Glasboden symbolisiert die Zerbrechlichkeit und gleichzeitig die Wertigkeit jeder menschlichen Beziehung.
Die Wand mit den Namen verdeutlicht dem Betrachter, wie viele Menschen ihn auf seinem Lebensweg begleiten. Gleichzeitig entsteht Erinnerung über das bewusste Wahrnehmen von Gegenständen, die in einem Glasregal lagern. Einige Spiegelscherben im Regal erlauben einen Aus- und Einblick auf die Himmelsöffnung –
einem Glasboden über dem Schacht.
Mit der bewussten Wahrnehmung der Namen und der konkreten Erinnerungsstücke durchwandert der Betrachter auch diverse Stationen seines eigenen Lebens. Dies ruft Träume, Gefühle und besonders Sehnsüchte nach Geborgenheit, Wärme, Heimat, Kindsein hervor.
Die Hoffnung, dass dieser Ort des Geborgenseins, Glücks und ewiger Vollkommenheit nach dem Tode im Himmel oder in dem verlorenen Paradies erfahrbar wird, ist eine der großen universellen Sehnsüchte der Menschheit. Und immer versuchten die Menschen, dieses Paradies bereits zu Lebzeiten hier auf Erden zu verwirklichen. Hierzu lädt der nächste Raum ein, auch wenn das Betreten in ein solches irdisches „Spiegelparadies“ Überwindung erfordert.
Diese Scheu mag zu Fluchten in Seitenwege führen. Leicht folgt der Mensch Täuschungen, Verlockungen und auch falschen Heilversprechungen. Aber Sackgassen sind ein Bestandteil des Lebens. Dies zu erkennen und zu akzeptieren ist wichtig und deshalb sollten wir immer wieder aus unseren Sackgassen heraus nach dem Paradies suchen, wo immer es sein mag.
Mit der Durchschreitung des „Paradieses“ wird der Ausgang des Weges von einer Videoprojektion bespielt. Zu sehen ist in eine Wiese, aus der die Samen von Pusteblumen aufsteigen, gleichzeitig schneit diese Sommerwiese immer mehr zu. Die Videoinstallation in Schwarz und Weiß steht im Kontrast zur realen Welt, in die man durch eine Türe in der projizierten Wiese wieder austritt. Diese reale Welt, die wir täglich geschenkt bekommen und die wir täglich erfahren dürfen, ist viel bunter und lebendiger als all die uns so vertrauten Scheinwelten. Sie muss nur immer wieder neu entdeckt werden.
Und so verlässt der Betrachter die Ebene der Gefühle vielleicht etwas sehender, vielleicht etwas mutiger und hoffentlich etwas lebendiger: Er wagt einen neuen Gang in das alltägliche Leben, wohl spürend, dass er in seiner ihm noch verbleibenden Zeit von denen begleitet wird, die er irdisch vermisst.
Ich möchte Sie herzlich einladen, den Pfad der Sehnsucht in meinem Haus zu besuchen: Haus der menschlichen Begleitung, Kürtener Str. 10, 51465 Bergisch Gladbach.
Bergisch Gladbach, im August 2005
Ihr Fritz Roth